In Zeiten der Krise
Jetzt ist es tatsächlich spürbar, das gesellschaftliche Burnout, von dem ich in den letzten Jahren immer wieder geschrieben habe. Es ist die natürliche Konsequenz aus all den Jahren an Raubbau, den wir an der Erde und auch an uns selbst ausführen. Die Lunge der Erde wird seit Jahrzehnten massiv geschwächt, der Amazonas hemmungslos gerodet. Gleichzeitig scheint sich ein Virus zu verbreiten, der ebenso gezielt die Lunge des Menschen „schwächt“. Hm, das könnte einen zum Nachdenken bringen.
In all der Unruhe, die momentan um sich greift, scheint sich aber das Neue schon (auch wenn ganz klein) anzukündigen. Wo Schatten ist, ist auch immer Licht.
Was passiert gerade? Die Menschen (außer jene, die im Gesundheitswesen tätig sind) werden mehr oder weniger gezwungen, runter zu kommen, auszusteigen aus dem täglichen Stress und der Hektik. Dinge die vorher „so wichtig“ waren, verlieren plötzlich an Bedeutung. Wir reduzieren uns gerade wieder, erinnern uns an das Wesentliche.
Im Grunde ist es wie ein kollektives Burnout, das sich hier annähert. Und wir wissen in diesem „Symptom“ liegt eine unglaubliche Heilungschance. Ein Burnout wird der Yin Qualität zugeordnet. Auch wenn das Yin in diesem Fall nicht in erlöster Form gelebt wird. Aber es ist zumindest ein Anfang.
Im Yin reduzieren wir, erinnern uns daran, dass ständiges (Wirtschafts)-Wachstum absolut unmöglich ist und immer auf Kosten anderer gehen muss. Wir erinnern uns, dass ein immer schneller, immer höher, immer besser nicht der richtige Weg sein kann. Wir erinnern uns an die Werte in unseren Familien und im Miteinander.
Ich spüre eine große Erleichterung bei den Kindern und Jugendlichen – der Schulstress, der gerade volle Fahrt angenommen hat, reduziert sich auf ein Minimum. Hat es vorhin unglaubliches Aufsehen erregt, wenn ich meine Kinder einen Tag aus der Schule genommen habe, ist jetzt von heute auf morgen alles möglich. Ich wollte eigentlich schon immer Home-Schooling machen, jetzt ist es da. Der Schulstress fällt jetzt mal fürs Erste weg. Natürlich werden gerade viele Eltern gefordert. Das ist mir bewusst. Aber auch hier werden Lösungen gefunden werden.
Viele sitzen in Quarantäne und werden gezwungen, mit sich zu sein, auch einmal alleine zu sein. Wir befinden uns im Jahr des Mondes: Wenn wir es nicht freiwillig tun, werden wir eben „gezwungen“, uns mit unseren Gefühlen, unseren Schattenthemen, unserem Innenleben auseinanderzusetzen.
Und gleichzeitig, in all dem „Schatten“ ist das Licht zu spüren.
Es wird ruhiger, langsamer, es wird entschleunigt. Die CO2 Emissionen in China nehmen aufgrund der momentanen Umstände gerade massiv ab. Delfine werden in den Häfen Italiens gesichtet, da die Schiffsfahrt brach liegt. Die Erde atmet auf.
Mein Mitgefühl ist bei all den Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen oder anderen Umständen Angst verspüren, Bangen um ihre Liebsten. Dennoch möchte ich Mut machende Worte an alle richten: Nützen wir diese Krise, um daraus zu lernen, uns zu besinnen, eine neue Form des Zusammenlebens zu kreieren. Tief im Herzen spüre ich und ganz sicher auch du, dass dieser Wandel geschehen muss. Wir werden wachgerüttelt und aus der Bahn geworfen. Genau das braucht es, um Neues entstehen zu lassen. Wie auch immer dieses Neue aussehen wird, jetzt heißt es erstmal Innezuhalten, Nachzuspüren, mehr Zeit in der Familie zu verbringen, und die Ruhe in all der Aufregung rundherum auch zu nützen.
Zum Umgang mit den Kindern
Es wird ruhig um unsere Kinder. Plötzlich ist hier keine Dauerberieselung mehr durch Angebote in Schule, Kindergarten, Nachmittagsbetreuung, Musikschulunterricht und Tanzunterricht. Freizeitbeschäftigungen wie die beliebten Shopping-Touren der Jugendlichen fallen weg.
Momentan fühlt es sich für manche vielleicht so an, als würden sie in ein tiefes Loch fallen oder Eltern fühlen sich überfordert, wie sie ihre Kinder nun in den nächsten 4 Wochen „beschäftigen“ sollen. Lass mich dazu ein paar Dinge sagen, vor allem, welch enorme Chance diese Krise auch für unsere Kinder bedeuten könnte.
Wir haben uns zu einer Gesellschaft entwickelt, die keinen Stillstand mehr kennt. Und unsere Kinder haben wir einfach dahin mitgenommen, ohne sie zu fragen. Sie werden ständig zugedröhnt mit scheinbar wichtigen Dingen. Es bleibt kaum Luft zu atmen. So viele Kinder reagieren mit Verhaltensauffälligkeiten. Aber wir ignorieren diese Verhaltensauffälligkeiten und unterdrücken auch diese mit Medikamenten oder noch mehr Medien.
Somit könnte dieser Stillstand, der momentan herrscht, auch für unsere Kinder eine enorme Chance in sich bergen, wenn wir uns darauf einlassen. Wichtig ist dabei, nicht der Versuchung zu verfallen, den Kindern dieses hohe Level an Dauerberieselung weiterhin anzubieten.
D.h., wenn jetzt plötzlich der ganze Tag frei zu Verfügung steht, schränke auf jeden Fall den Medienkonsum ein. Junge Kinder sollten sehr wenig Zeit mit Medien verbringen. Mit älteren Kindern sollte diesbezüglich das Gespräch gesucht werden und der Medienkonsum ebenso eingeschränkt werden.
Warum? Erst wenn Langeweile aufkommen darf, wenn Leere im Alltag entsteht, können plötzlich neue, kreative Prozesse in Gang kommen. Dazu braucht es vorher einmal die Leere, ein Vakuum entsteht und dann, ja dann geht es los…
Umso mehr dein Kind bisher extrinsisch motiviert wurde und ständig mit Angeboten von außen gefüttert wurde (auch Medien), desto länger dauert wahrscheinlich die Phase, bis eigene Ideen wieder an die Oberfläche kommen.
Vielleicht dauert es sogar ein paar Tage.
Natürlich ist es wunderschön, wenn wir uns jetzt vermehrt Zeit nehmen, mit unseren Kindern zu spielen, mit ihnen bewusst Zeit zu verbringen. Aber es sollte jetzt nicht in Stress ausarten, unsere Kinder zu Hause rund um die Uhr beschäftigen zu müssen. Auch bei den Jugendlichen verläuft es ähnlich. Wir sollten ihnen Möglichkeiten anbieten, wie sie sich nützlich machen können.
Sprecht mit ihnen über die momentane Situation ruhig und achtsam, greift Ängste auf, wenn welche da sind. Aber wir sollten den Kindern keine Angst machen.
Schickt eure Kinder so viel wie möglich nach draußen. Die Natur, der Wald, die Wiese stärken das Immunsystem. Die Bewegung im Freien, die Sonne, die jetzt wieder an Kraft zunimmt bildet das so wichtige Vitamin D, das mögen Viren gar nicht.
Wir entwickeln uns in den nächsten Jahren von einer kapitalistischen Konsumgesellschaft hin zu einer kreativen – schöpferischen Gesellschaft. Das ist erst der Beginn dieses Umbruchs. Und um diese Gesellschaft entstehen zu lassen, brauchen wir unsere Kinder. Also dröhnt sie bitte nicht weiterhin zu. Nützt diese momentane Krise, um auch sie wieder aufatmen zu lassen und sich in echtem Spiel zu versinken, ihre eigene Kreativität zum Vorschein zu bringen und die freie Zeit individuell zu nützen.
Woran sich dein Kind nach der Krise erinnern wird…
Kein Kind wird sich daran erinnern, ob es zu Hause unordentlicher oder beengter war als sonst,
… aber es wird sich daran erinnern, dass zusammengehalten und das beste aus der Situation gemacht wurde.
Kein Kind wird sich daran erinnern, ob es neues Spielzeug bekommen hat,
… aber es wird sich daran erinnern, ob ihm vorgelesen oder mit ihm gespielt wurde.
Kein Kind wird sich daran erinnern, ob Mama einmal geweint hat,
… aber es wird sich daran erinnern, dass alle Emotionen erlaubt sind und gezeigt werden dürfen. Und dass es in Ordnung ist, die eigenen Gefühle zu zeigen, egal ob weinen oder lachen!
Kein Kind wird sich daran erinnern, worüber Politiker diskutiert haben,
… aber es wird sich an die beängstigenden Bilder der Nachrichten erinnern, deshalb dreht sie bitte ab!
Kein Kind wird sich daran erinnern, ob es alle Hausaufgaben pünktlich abgegeben hat,
aber es wird sich an das Gefühl erinnern, mit dem das Lernen verbunden war.
Streitet euch nicht wegen Hausaufgaben oder mehr Unordnung im Haus. Seid für eure Kinder da.
Nehmt sie in den Arm und sagt ihnen, dass ihr sie liebt! Genau so, wie sie sind!
Text: Tanja Draxler
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14 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Tanja, kannst du mir bitte die englische Übersetzung deines Artikels emailen. Vielen Dank , Fari
Psycholog -Psychotherapeut
Daaanke sehe ich genauso das spricht mir aus dem Herzen und wir sollten das alle weitergeben!
Hallo Frau Draxler, ich würde diesen Text gerne an unsere Schüler*innen weiterleiten, die aktuell von zu Hause aus Arbeitsaufträge bearbeiten sollen. Ist das für Sie okay?
Herzliche Grüße, Jutta Schneider (Schulleiterin Fachschule für Heilerziehungspflege Aschaffenburg)
Das würde mich außerordentlich freuen!
Liebe Frau Draxler,
ihr Text inspiriert mich sehr tief, wobei ich merke, dass diese auch meine Gedanken gar nicht so „tief“ verankert sind, sondern sie leicht wieder an die Oberfläche zu holen sind. Ich arbeite daran, sie wieder zu leben, weil das, was mit uns seit Jahren passiert, aufhören muss. So gesehen ist die momentane Coronakrise vielleicht sogar sls „Heilmittel“ zu sehen. Mit meinen fast 66 Jahren habe ich meine Kindheit noch lebendig vor Augen und fühle mich bestätigt in meinen Gedanken und Gefühlen aus der Zeit.
Lieben Dank für ihren Text
Katrin Bartels
Liebe Tanja,
Ich liebe deinen Text „es könnte sein“. So eine positive Botschaft braucht es gerade in diesen Zeiten. Danke dafür!
Der Text „Es könnte sein, dass in Italiens Häfen…“ gefällt mir sehr gut. Er macht zur Zeit im Netz die Runde. Viele zitieren ihn und wissen nicht, wer der/die Verfasser*in ist. Sind Sie es?
Thomas Flätgen, ja den habe ich geschrieben. Vielen Dank fürs Richtigstellen! Alles Liebe, Tanja Draxler!
Ganz lieben Dank, Tanja.
Das sind sehr gute und brachbare Gedanken, die ich gerne an Freunde weiterleiten möchte, wenn Du mir erlaubst…
Sehr sehr gerne, einfach das Copyright Tanja Draxler drunterschreiben!
Sehr gerne Jens, ich freue mich übers Weiterleiten! Alles Liebe, Tanja
Liebe Tanja, das ist mir so aus dem Herzen gesprochen. Ich danke Ihnen für diese wunderbaren Worte.
Mögen wir Menschen erwachen, bewußt werden und diese Chance mit Liebe, Wachheit und Dankbarkeit füllen.
Herzlichst Gabi Schocher
Vielen Dank!
Vielen Dank für Ihre Worte Gabi Schocher, von Herzen, Tanja